Galerie Kunsthöfle e.V. Bad Cannstatt
„Die Neuen“Foyer im Amtsgericht BC
Einführung Prof. Dr. Helge Bathelt, M.A.
23.01.2022
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Etwas Neues. Neues hat einen besonderen Reiz. Eine Möbelstück wird geliefert, wie wird
sich das neue Teil in der Praxis bewähren? Ein neues Buch ist entdeckt. Spannend es für
sich zu erschließen. Ein neuer Freund, eine neue Freundin, nun, das brauche ich nicht
weiter zu erklären. Heute haben wir neue Künstler*Innen unseres Kunsthöfle vorzustellen.
Wie schön, dass wir uns über Neuzugänge freuen dürfen. Sie beweisen, dass wir wahr
genommen werden, dass wir gesucht sind, dass bei aller künstlerischen Individualität
auch das Gemeinsame wichtig ist, der Austausch notwendig und ich meine: es
entscheidet bei der Mitgliedschaft eben nicht nur eine Veröffentlichungsmöglichkeit hier in
unserer Galerie.
Gegenwärtig ist es schwer: Öffentlichkeit herzustellen. Unsere Kataloge sind ein Weg, die
Homepage auch, die wir jetzt weit mehr pflegen, wichtig auch die freundliche Mitarbeiter
der Cannstatter Zeitung mit Iris Frey, wichtig genauso, dass die Mitglieder ihre Hopliten
mit einbringen: zum Wohle aller und was es noch mehr an Euphorischen geben mag.
Focussieren wir nun aber auf diese gerade gehängte Ausstellung. „Gerade gehängt“: Ein
Novum, das die Pandemie provoziert hat.
Wunderbar unterschiedlich ist das, was sich uns hier zeigt, dem Ausstellungsraum
geschuldet beschränkt natürlich auf wenige Visitenkarten und wir wissen, dass dahinter
jeweils ein breites Werk steht, so dass künftige Veröffentlichungen weiteres zu erschließen
haben.
Willkommen also Angelika Baehr, Christiane Biebl, Marianne Märkle-Majewsky, Norbert
Ries, Jost Schrade und Mirjam Weber-Hagenmaier. Durch die Doppelnamen klingt das
noch umfangreicher. Mit der Namensnennung habe ich mich zugleich entlastet. Alle sind
erwähnt und damit wäre nun jeder Argwohn einer unterschiedlichen Bewertung ad
absurdum geführt. Bei aller Wertfreiheit: Gänzlich unterschiedlich ist das, was die
Künstler*Innen als ihr Werk ausweisen.
Da finden wir bei Angelika Baehr Spiele mit der Fläche, die angelegentlich farblich
monochrom unterlegt, aber in der Farbe changierend gezeigt wird. Auf der Fläche finden
wir dann unterschiedlich umrissene Bedeutungsfelder: in Reihung, in Schwerpunktbildung
oder auch flächenverteilt. Natürlich transportiert das Gestaltungsformen, die wir häufig
antreffen, wenn wir eine zeitgenössisch populäre Kunst betrachten. Gleichwohl bildet die
Grundauffassung dem schaffenden Individuum die Möglichkeit zu jedweder Art von
Personalisierung, d.h. wir erfahren etwas über die Befindlichkeit der Schöpfer*In. Wenn
das Ergebnis Kraft hat: dann ist es gut.
Jost Schrade fragt: Was geschieht mit der Figur, wenn wir sie in Rotation setzen und was
passiert, wenn wir einen losen Körper denken, der durch die Bewegung förmlich
zerstäubt wird, wir ihn aber noch in seinem Ursprung wahrnehmen können? Aus der
Bewegung entsteht ein Filigran, das Verletzlichkeit anzeigt, das aber zugleich eine
Ästhetik des Vergänglichen entwickelt.
Und wenn wir schon bei Bewegungsbildern sind, so lässt sich ein Blumenstück, lässt sich
ein Pfauenrad oder was auch immer in Rotation versetzen und das Statische in eine
fließende Rhythmik übertragen. Interessant, wenn daneben die Abbildung einer frühen
Kirche steht: reduziert auf eine sparsame Farbigkeit, mit der das Kontemplative des Ortes
beschworen wird. So formuliert Mirjam Weber-Hagenmeaier ihre Kunst.
Faszinierend, wenn wir einer Landschaft in vier Felder gereiht begegnen, die
unterschiedlich ausgeprägt ist. Das bleibt nicht in einem jahreszeitlichen Kontext stehen,
sondern ist vor allem unterschiedlichen Stimmungen verpflichtet. Über das Divergente im
Gleichen nachzudenken: ist eine Anregung, die von einer solchen Bildfolge ausgeht. Ohne
genaue Beobachtung und eine disziplinierte Niederschrift ist ein Eindrückliches wie hier
bei Marianne Märkle-Majewsy nicht zu erreichen.
Ein völlig anderer Ansatz wird vertreten, wenn Christiane Biebl tief in die Vergangenheit
künstlerischen Ausdruckswillens reist. Die Nasca Linien, die vor über 2000 Jahren in den
kahlen Boden der Peruanischen Pampa eingraviert wurden, zeugen von einer
vergangenen Kultur. Die Belebung dieser Kultur kann zu einem künstlerischen Auftrag
werden. Die Übernahme der Nasca Linien ins zeitgenössische Bild wird angereichert
durch peruanische Fingerpuppen, die ihrerseits eine Tradition vertreten. So wird in
Schritten in die Gegenwart geführt, ein Kontinuum hergestellt. Eine überaus interessante
Begegnung, wenn wir solche Arbeiten vor uns haben.
Ein starker Impetus der Kunst im frühen zwanzigsten Jahrhundert galt der Reduzierung
alles Artifiziellen durch teilweise drastische Vereinfachungen. Im Extrem hat das Dada
geleistet und auch im Ready Made wurde das umgesetzt. Schon vorher hatte die
Rezeption der Kunst indigener Völker für manche künstlerische Neuorientierung gesorgt.
Auch heute noch kann der Impetus, auf das Einfache zurück zu greifen, anregend sein.
Als wären es erste Fingerübungen in der Wiedergabe von Modellen wird alles Elaborierte
zurück genommen und so verweist Norbert Ries auf den Wert des Einfachen.
Wir haben versucht: uns den Arbeiten dieser Ausstellung zu nähern und sie in ihrer
Wertigkeit kennen zu lernen. Weiters ist das nun dem Dialog zwischen Publikum und
Produzent*Innen überlassen. Die Neuen in unserem Kreis sind nun freundlich
aufgenommen. Schön, dass sie nun Teil der Kunsthöfle - Gemeinschaft sind!
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